Flächenkonflikt per App austragen: Der Strassensheriff holt die Falschparker vom Gehweg

Den Flächenkonflikt austragen? Aber wie? Mit einer Idee fing alles an. Einer Idee, die in der deutschen Vergangenheit einen doppelten Tabu-Bruch auslöste: die Idee einer Falschparker-App namens Strassensheriff. Alleine die Crowdfunding-Kampagne dazu ging die Medienlandschaft hoch und runter und thematisierte den Straßenkrieg in unseren Städten: Autofahrer gegen Fußgänger und Radfahrer....

Wenn sich Politiker nicht trauen, Parkplätze in Radwege umzuwandeln, dann ist der Schlüssel für die Verkehrswende der Flächenkonflikt. Schafft man es, politische Energie auf diesen Konflikt zu lenken, kann dieser Tipping Point die Energien für neue Verkehrskonzepte in Bewegung setzen. Eine Falschparker-App könnte so etwas leisten.

„Ein Klick, eine Anzeige“: So bewarb Ende September 2013 die Crowdfunding-Kampagne die Strassensheriff-App, für die gesammelt werden sollte. Mit ihr konnte man Falschparker anzeigen und auf eine Webseite posten, damit das Ärgernis der Falschparker und die Untätigkeit der Ordnungsämter öffentlich wird. Gleichzeitig war sie der Startschuss der Initiative Clevere Städte.

Das Funding-Ziel waren 30.000 Euro – soviel hat tatsächlich nachher der Launch der App und der Webseite inkl. aller Grafik-, Redaktions- und Programmierarbeiten sowie der juristischen Prüfungen gekostet. Diese kamen zwar nicht zusammen, aber üblicherweise haben Crowdfunding-Kampagnen weitere Nebeneffekte: Die Fans geben viele nützliche Hinweise für Features und Ideen, neue Kooperationen entwickeln sich wie z.B. das Projekt zum Flächengerechtigkeitsreport mit der damaligen Best-Sabel-Hochschule.

Nützlicher Nebeneffekt war ein prall gefüllter Presseverteiler, denn über eine solche Petzer-App zu berichten, konnte sich kein Journalist entgehen lassen. Den Start machte die ZEIT, gefolgt von Süddeutscher, Stern, AutoBILD und anderer. Nach zehn Tagen saß ich bei Sat 1 im Frühstücksfernsehen, mein erster TV-Auftritt überhaupt. Alle haben sie über die App berichtet, aber natürlich auch über zu viele Autos, zu viele asoziale, rücksichtslose und gesetzeslose Autofahrer und über die rauer werdenden Sitten auf unseren Straßen, genannt Straßenkrieg.

Eine Petzer-App? Oder gar Denunzianten-App, wie sie manche Journalisten nannten? Letzteres vergisst leichtfertig, dass Denunzieren etwas vollständig anderes ist und Tausende von Menschen früher ins KZ gebracht hat: Einen Falschparker anzuzeigen, ist dagegen das Vorgehen gegen eine klare Ordnungswidrigkeit und dazu ein gefährliches Verhalten. Auch Petzen wird auf dem Schulhof nicht toleriert, ist es doch ein Zeichen der Schwachen. Sind auf dem Pausenhof aber Taschenmesser im Spiel, freute sich jede Mutter über die Information. Wenn es also um Gefahr geht – und nichts anders bedeutet das Zuparken von Radwegen für Radfahrer.

Nach dieser gewaltigen Medienresonanz über eine Idee war klar, dass ich jetzt nicht zurück kann. Die App trifft ins Mark des Flächenkonflikt zwischen autogerechten Städten, weitere wachsenden Blechlawinen und den zunehmenden neuen Ansprüchen an lebenswerte Städten und sichere und unbehinderte Wege für alle.

Ein Schmankerl: Nachdem die Facebook-Fans zu 98% männlich waren, lud ich vier Damen zum Ladies Dinner ein. Ich kochte, sie brainstormten. Heraus kam ein um weibliche Konfliktlösungsmechanismen ergänzte App-Web-Anwendung: Der Spucki mit dem Hinweis auf den Post, der Twitter- oder Facebook-Button zum Hochladen in die eigenen Netzwerke und eine Mail ans Ordnungsamt, bei der gedankt wird für die bisherige Arbeit, aber natürlich auch ein weiterer Fall zur Kenntnis gegeben wird. Was rechtlich gesehen nichts anderes als eine Bürgeranzeige darstellt. Nicht zu vergessen: Für den späteren Launch brauchte es einen neuen Namen ...

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